Über ein Jahr lang hat die Sommerbiathletin aus Mengen keinen Wettkampf bestritten
Die Corona-Pandemie wirft ihre Schatten auch auf den Sport. Vor allem der Amateursport und die sogenannten Randsportarten leiden. Während hochbezahlte Fußballprofis schon lange wieder dem Leder nachjagen, müssen andere Sportarten um die Durchführung der zweiten Saison in Folge bangen. Auch die Schützen und Sommerbiathleten der Schützengilde Ennetach, allen voran Spitzenathletin Anja Fischer, kann ein Liedchen davon singen.
Die 30-fache Medaillengewinnerin bei deutschen Meisterschaften musste bereits auf die Saison 2020 komplett verzichten. Ihren bis dato letzten Wettkampf bestritt Schalke-Fan Fischer im September 2019 bei den deutschen Meisterschaften in München. Dann endete die Saison 2019 und abgesehen von einem Lehrgang des Deutschen Schützenbundes (DSB) Anfang Februar 2020 fiel die gesamte Saison 2020 inklusive nationaler und internationaler Titelkämpfe sowie Welt- und Europameisterschaften aus. Und so blieb der Doktorandin im Fach Physik nichts anderes übrig, als – alleine – zu trainieren.
„Das vergangene Jahr habe ich genutzt, um wieder mehr Rennrad zu fahren, was ich in der Wettkampfphase normalerweise nicht mache. Ansonsten habe ich ziemlich viel an meinem Gewehr gebastelt, um mein Handling optimieren zu können“, sagt die zweifache Weltcupsiegerin (Suhl, München 2016) und WM-Dritte im Single-Mixed 2017 in Suhl. Neben dem Laufen und dem Schießen stelle die Handhabe des Schießgeräts eine Art dritte Disziplin dar, bei der gerade im Targetsprint schnell ein paar Positionen eingebüßt werden könnten, sagt die 24-Jährige.
„Es geht darum, den Ablauf vom Aufnehmen des Gewehrs über das Einführen des Magazins und des Nachladens, bis hin zum regelkonformen Abstellen des Gewehrs zu optimieren“, sagt Anja Fischer. Übung macht die Meisterin: „Dies gelingt am besten mit Trockentraining, also dem ständigen Wiederholen eines kleinen Teils des gesamten Ablaufs, ohne dabei einen Schuss abzugeben. Dieses Training lässt sich daher, auch trotz der geschlossenen Schießstände, ideal zu Hause durchführen.“
Viel Unterstützung bei den Änderungen am Gewehr habe sie von Günter Dettling sowie ihrem Freund erfahren. „Meine Familie hilft mir, daheim die Rahmenbedingungen für mein Ablauftraining möglichst wettkampfnah zu gestalten“, sagt die Hobbybäckerin – weitere Hobbys sind Lesen und Nähen – über ihr engstes Umfeld.
Neben dem Lauftraining steht zweimal pro Woche Krafttraining auf dem Programm. „Dieses darf ich einmal in der Woche, dank der Spitzensportförderung der Universität Tübingen, in der universitätseigenen Kraft- und Fitnesshalle absolvieren“, sagt Anja Fischer, die derzeit an der Uniklinik arbeitet. „Da ich selbst am Universitätsklinikum Tübingen arbeite, wurde mir bereits das Privileg zuteil, mich in der vergangenen Woche mit dem Impfstoff von Astrazeneca impfen lassen zu können. Die zweite Impfung folgt bei mir in acht Wochen. Ich bin sehr dankbar für diese Möglichkeit und hoffe, dass wir dank der Impfungen bald alle ein bisschen mehr Normalität zurückbekommen, aber dafür bedarf es momentan unser aller Beitrag“, sagt sie.
Zum Training ohne Wettkämpfe motivieren musste sie sich in den vergangenen Monaten nicht: „Das Training war für mich schon immer ein wichtiger Ausgleich zur Schule, zum Studium beziehungsweise zur Arbeit. Auch aktuell merke ich, wie wichtig der Sport für mich und mein Wohlbefinden ist, egal ob die Wettkämpfe schlussendlich stattfinden oder nicht“, sagt sie. „Mir hilft es, direkt nach der Arbeit meine Sportsachen anzuziehen und mein Programm durchzuziehen. Denn es ist einfacher, sich gar nicht erst aufs Sofa zu setzen, als sich später nochmal aufzuraffen.“ Und sie hat für alle Sportmuffel einen Tipp parat: „Fasst euch klare Ziele und macht euch einen Plan. Denn gerade in diesen Zeiten, in denen viele Termine wegfallen, helfen solche festen Verabredungen mit sich selbst, den Tag sinnvoll zu nutzen.“
Wenigstens trainiert Anja Fischer, die außerdem Gold und Bronze bei der ISSF World Tour 2019 in Auer, Gold und Bronze beim Air Arms Cup in Bristol 2019 gewann, in diesem Jahr mit einem Ziel vor Augen. Denn derzeit stehen zumindest die Termine für die nationalen Qualifikationswettkämpfe und die World Tour Targetsprint mit Finale im August in München sowie die Deutschen Meisterschaften. „Ob diese jedoch auch ausgetragen werden, bleibt abzuwarten“, zweifelt Anja Fischer (Lebensmotto: „Disziplin ist nur die Wahl zwischen dem, was du jetzt willst und dem, was du am meisten willst.“) noch ein wenig. Auch ein konkretes Ziel hat sie schon: „Die Fünf-Minuten-Schallmauer im Targetsprint zu knacken.“ Abschließend sagt sie: „Die Pandemie verlangt uns allen einiges ab.“ Für einige bedeute es mehr als nur die Absage von Wettkämpfen. „Ich bin zwar keine Mannschaftssportlerin, aber ich bin mir bewusst darüber, dass wir nur gemeinsam eine nachhaltige Veränderung erreichen können. Es braucht die Disziplin und den Beitrag jedes Einzelnen.